Ivan Minatti
Jemanden muss man gern haben
Jemanden muss man gern haben,
und sei es Gräser, einen Fluss, Baum oder Stein,
jemandem muss man die Hand auf die Schulter lehnen,
dass sie sich, hungrig, an der Nähe sättigt,
jemandem muss man, muss man,
das ist wie Brot, wie ein Schluck Wasser,
muss man seine weißen Wolken geben,
seine kühnen Vögel der Träume,
seine scheuen Vögel der Machtlosigkeit
– irgendwo muss es doch für sie
ein Nest der Ruhe und Zärtlichkeit geben –
jemanden muss man gern haben,
und sei es Gräser, einen Fluss, Baum oder Stein
weil Bäume und Gräser kennen die Einsamkeit
– denn die Schritte gehen immer weiter,
auch wenn sie einen Moment verweilen –
weil der Fluss weiß von der Trauer
– er muss sich nur über seine Tiefe neigen –
weil der Stein kennt den Schmerz
– wie viele schwere Füße
gingen schon über sein stummes Herz –
jemanden muss man gern haben,
jemanden muss man gern haben,
mit jemandem muss man in den Einklang,
in die gleiche Spur –
oh Gräser, Fluss, Stein, Baum,
schweigsame Begleiter der Einsamen und Sonderlinge,
gute, große Geschöpfe,
die nur dann sprechen,
wenn die Menschen verstummen.
(Übersetzung aus dem Slowenischen von Cornelia Niemetz)
